Interview von Alexander Schnorbusch (Monsudar Verlag) mit Katja Brinkmann aus Anlass der Übersetzung von Johannes Ittens „Kunst der Farbe“ ins Mongolische. Erschienen auf reader.mn, Dezember 2021

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AS – Guten Tag Frau Brinkmann. Sie sind freischaffende Künstlerin und haben in den vergangenen Jahren mehrfach im Fachbereich „Monumental-Malerei“ an der SUIS (heute Akademie der Künste) unterrichtet. Die Übersetzung von Ittens „Kunst der Farbe“ ins Mongolische geht maßgeblich auf Ihre Anregung zurück. Sie haben zudem als fachliche Lektorin bei der Übersetzung geholfen. Warum erscheint Ihnen dieses Werk so wichtig, und wer war eigentlich Johannes Itten?

KB – ­Guten Tag, Herr Schnorbusch. Ich habe insgesamt zwei Jahre an der Kunsthochschule in Ulaanbaatar unterrichtet und die „Kunst der Farbe“ von Johannes Itten hat mich sozusagen dabei begleitet. Ich habe im wesentlichen Stillebenmalerei unterrichtet und ein Schwerpunkt dabei war die Beschäftigung mit Farbe.

Die „Kunst der Farbe“ ist ein wichtiges Grundlagenwerk der Farbenlehre. Johannes Itten hat es 1961 veröffentlicht und seine lebenslangen Erfahrungen darin zusammengefasst. Der zwölfteilige Farbkreis und die Lehre von den sieben Farbkontrasten gehören bis heute zu den Grundlagen bildnerischen Gestaltens in meinem Kulturkreis und bilden einen wichtigen Ausgangspunkt für das Verständnis von Farben. Die vielen enthaltenen Farbtafeln machen die Farbenlehre anschaulich und erwiesen sich dementsprechend auch in meinem Unterricht als sehr hilfreich. Itten war zeitlebens sowohl als Künstler als auch Lehrer tätig und war immer daran interessiert, sein künstlerisches Wissen verständlich zu machen und anschaulich zu vermitteln. Das ist eine der großen Qualitäten des Buches: Es ist kein theoretisches Werk, sondern eine Farbenlehre in der praktischen Anwendung  für den Künstler oder auch Designer. So liefert das Buch auch Hinweise für praktische Übungen.

In meinem Unterricht habe ich damit gute Erfahrungen gemacht und bin auf großes Interesse gestoßen. Deshalb bin ich sehr glücklich darüber, dass die „Kunst der Farbe“ nun in der mongolischen Übersetzung vorliegt und jeder Studierende und Interessierte sie selbstständig lesen und sich damit beschäftigen kann.

– Das Bauhaus, an dem Itten in den Anfangsjahren tätig war und das kürzlich sein 100. Jubiläum feierte, ist heute vor allem für seine Architektur- und Design-Werkstätten auf der ganzen Welt bekannt. Worin lag die Bedeutung des Bauhaus und was macht es bis heute so relevant?

Das Bauhaus entstand nach dem Ersten Weltkrieg parallel zu anderen Reformbewegungen als eine Schule der Gestaltung, die auch gesellschaftliche und politische Fragen in ihre Konzepte miteinbeziehen will. Die Grenzen zwischen Kunst und Handwerk, aber auch zwischen den verschiedenen Disziplinen wie Architektur, Theater, Kunst und Design wurden aufgelöst und damit die Basis für neue Kunstformen wie Installation und Performance geschaffen. Neue pädagogische Konzepte, welche eine Auseinandersetzung und experimentelles Arbeiten beförderten, wurden entwickelt. Durch die Auswanderung einiger Lehrer in die USA und die Internationalität der Studierenden haben sich die Lehren in der ganzen Welt verbreitet.

Die inhaltliche Ausrichtung des Bauhauses war vielfältig und unterschiedlich aufgrund seiner großen Zahl an Lehrerpersönlichkeiten. Johannes Itten lehrte von 1919 bis 1923 am Bauhaus in Weimar und sein Vorkurs prägte die Anfangszeit. Statt, wie an traditionellen Kunstakademien üblich, die Schüler zunächst zum Kopieren von Vorlagen anzuhalten, ermunterte Itten sie zu eigenem subjektiven Empfinden und kreativem Gestalten. Mit seinen neuen Unterrichtsformen wollte er die Grundgesetze bildnerischen Gestaltens vermitteln und ebenso den schöpferischen Kräften der Studierenden einen Weg bahnen. Seine pädagogischen Konzepte prägen die bildnerische Lehre in der westlichen Welt bis heute, insbesondere bei der Vermittlung gestalterischer Grundlagen.

– Erzählen Sie uns ein bisschen über sich selbst. Wie würden Sie ihre eigene Kunst beschreiben?

Meine Bilder sind immer eine Auseinandersetzung mit den bildnerischen Mitteln, mit der Qualität von Farbe und Farbauftrag und mit dem Verhältnis von Abstraktion und Gegenständlichkeit. Sie sind ungegenständlich, können beim Betrachter jedoch Assoziationen wecken, z.B. an Strahlen, Bänder oder musikalische Rhythmen.

Die Aufenthalte in der Mongolei haben meine Bilder verändert. 2017 habe ich mit einer Serie von Papierarbeiten begonnen, die von den Farben und Formen der mongolischen Landschaft und des Lichts, aber auch der Farbigkeit und Strukturen in den Jurten inspiriert sind, ohne diese direkt wiederzugeben. 2020 habe ich bei einem Kunstfestival in der Wüste Gobi vor Ort Erden gesammelt und diese dann neben meinen Acrylfarben als Farbe eingesetzt. So haben sich in meinen Bildern neue Farbklänge entwickelt.

In meiner Ausstellung „Saruul tal“ in der Städtischen Galerie Waldkraiburg (1.10. bis 21.11.21) habe ich neben den neuen Papierarbeiten zum ersten Mal auch Fotografien gezeigt, die ich unter malerischen Gesichtspunkten in der Mongolei aufgenommen habe. So entwickeln sich innerhalb meiner Arbeitsweise immer wieder neue Themen und Werkgruppen.

Neben den zum Teil sehr großen Leinwandbildern arbeite ich auch raumbezogen. So entwickele ich zum Beispiel Wandbilder oder Teppiche für einen bestimmten Ort oder ich versetze meine Malerei in Form von digitalen Bildmontagen in den Stadtraum.

– Sie sind 2013 zum ersten Mal in den Mongolei gekommen und seitdem immer wieder zurückgekehrt. Sie haben sogar die mongolische Sprache gelernt. Was fasziniert Sie an der Mongolei?

Meine erste Reise in die Mongolei hat mich so nachhaltig beeindruckt, dass ich mich seitdem intensiv mit dem Land und seiner Kultur beschäftige. Die Atmosphäre – die Weite der kargen Landschaft, das Licht und die wechselnden Farben, aber auch die zwischenmenschlichen Begegnungen haben mich tief beeindruckt. Und ich war begeistert von der kräftigen Farbigkeit im Inneren der Jurten, der Ornamentik und ebenso von der traditionellen Musik.

Bei weiteren Reisen und längeren Aufenthalten in der Stadt habe ich nun differenziertere Einblicke bekommen und viele Seiten des Landes kennengelernt. Das Leben dort ist für mich an vielen Stellen eine große Herausforderung, aber jeder Tag ist interessant und bereichernd für mich. Vieles ist ein Gegenpol zu meinem üblichen Leben in Deutschland. Ganz besonders genieße ich auch meine Aufenthalte auf dem Land, wenn ich bei einer nomadischen Viehzüchterfamilie zu Besuch bin. Im Lauf der Zeit habe ich mehr über die Kultur gelernt, so verfolge ich mit großem Interesse die vielfältige und lebendige Kunstszene in Ulaanbaatar. Auch wenn ich im Detail gar nicht benennen kann, was genau meine Faszination ausmacht, hat der Wunsch, in dem Land zu sein, bis heute nicht nachgelassen, ganz im Gegenteil: Das Interesse, dort „einzutauchen“, nimmt weiter zu.

– Wie hat Ihnen das Unterrichten an der SUIS gefallen? Wie war die Arbeit mit den mongolischen Studentinnen und Studenten Studierenden?

Die Arbeit mit den Studierenden war und bleibt ein spannender Prozess. Anfänglich war mein Unterricht ein neugieriges, gegenseitiges Herantasten zwischen den Studierenden und mir, auch waren meine Kenntnisse der mongolische Sprache zu Beginn noch bescheiden. Ich musste erst einmal herausfinden, wie die Studierenden arbeiten, was ihre Grundlagen sind und überlegen, in welcher Form die Kenntnisse und Erfahrungen, die ich von meiner Seite aus mitbrachte, für sie interessant sein könnten. Zum einen wollte ich meine eigenen Kenntnisse weitergeben und neue Impulse setzen. Gleichzeitig wollte ich den Studierenden nicht einfach etwas Neues „überstülpen“, sondern nach vorsichtiger Betrachtung Angebote machen und sie auf der Suche nach ihrem eigenen Weg begleiten. Die mongolischen Studierenden sind sehr jung und an präzise Aufgabenstellungen gewöhnt, gleichzeitig aber auch offen und neugierig und bereit, sich auf Neues einzulassen. Das hat viel Spaß gemacht. Ich habe meinerseits viel von ihnen gelernt, über ihre Traditionen und ihre Herangehensweise an die Kunst. In schöner Erinnerung geblieben ist mir ein gemeinsamer Besuch im Zanabazar-Muse­um, bei dem sie mir die Kunstwerke aus ihrer Sicht erläutert haben und nicht umge­kehrt. Ich freue mich, dass ich weiterhin mit einigen Studenten in Kontakt bin.

– Sie sind derzeit zurück in Berlin. Wann kommen Sie das nächste Mal in die Mongolei? Was sind Ihre Pläne für die nächsten Jahre, privat und künstlerisch?

Ich hoffe, dass ich bald wieder in die Mongolei reisen kann, zumindest für einen kürzeren Zeitraum. Anfang nächsten Sommers werde ich hier in Berlin ein großes Wandbild für ein Kunst am Bau-Projekt umsetzen. Danach möchte ich gerne wieder für ein Jahr oder länger in der Mongolei leben und arbeiten. Zur Zeit arbeite ich in meinem Berliner Atelier auch an größeren Bildern, in der Mongolei würde ich die Arbeit an den Papierarbeiten fortsetzen, meine Fotoprojekte vorantreiben und weiter mit der Landschaft arbeiten, wie ich es bei dem Projekt „Spirit of Gobi“ 2020 angefangen habe. Und natürlich würde ich sehr gerne meinen Unterricht mit der Übersetzung von Ittens Farbenlehre fortsetzen. Ideen habe ich noch so  viele …

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